Ich packe meinen Koffer: Chronik meiner bevorstehenden Reisen

Illustration Aufgeklappter Koffer offenes Buch

Neulich meldete sich aus der Tiefe meines Rechners ein Dokument namens Packliste Berlin von 2007. Meine Neugier war geweckt und ich geriet in einen Strudel aus Familienerinnerungen der vergangenen elf Jahre. Packen oder gepackt haben ist fast so spannend wie das Reisen selbst!

Irgendjemand hier, der entspannt mit der Familie in den Urlaub fährt? Ich kann das nicht: Zwei Tage vor der Reise – meistens sind noch letzte Jobs zu erledigen – fange ich an, Kleiderstapel zu bilden, Taschen mit Lebensmitteln zu füllen, freundliche Aufforderungen durchs Haus zu brüllen… Und mit dem Klemmbrett zu fuchteln, denn darauf befindet sich die aktuelle Packliste. Nicht etwa im Bujo-Trend liebevoll von Hand gelettert und verziert, sondern schnöde in Word erstellt. Das klingt langweilig, ist aber nützlich – und voller vergessener Geschichten, wie ich neulich überrascht feststellte. Als ich nämlich vor einem Kurztrip meine “Packliste Berlin” abspeichern wollte, drängelte sich eine gleichnamige Liste aus dem Jahr 2007 nach vorn. Ich klickte rein: eine nur zweispaltige Liste für zwei Personen. Ich erinnerte mich: Mein Ältester hatte eine Wochenendreise zu Freunden zum Geburtstag bekommen. In der Spalte “Johanna” las ich: Haarspange. Haarspange? Trug ich mein Haar damals lang? Es muss wohl so gewesen sein. Auf der rechten Seite: “Rätselblock. Sandalen. Regenjacke”. Hihi, nichts, was ein Teenager heute freiwillig mitnehmen würde.

Und dann las ich mich fest meinen Reisevorbereitungen. Ab 2003, Kind 1 und 2 waren da, hatte das Reisen sich offenbar zu einer komplexen Angelegenheit entwickelt. Denn 2005 fing das Listenschreiben an. Drei Spalten auf einer Seite DIN A 4, das reichte erstmal. Als wir dann drei Kinder hatten, gab es plötzlich zwei Seiten, jetzt auch eine Spalte “alle” (der Mann packt stets auf eigenes Risiko). Irgendwann bekamen die Punkte “Aquarium vorbereiten” und “Katzenfutter bereitstellen” hinzu. Aber warum habe ich das alles aufbewahrt? Nun, erstens lösche ich sowieso kaum Dateien in irgendwelchen abgelegenen Ordnern. Zweitens sind diese Listen ganz praktisch, weil reproduzierbar: Jede Reise hat ja ein bestimmtes Profil, das auch die Liste prägt. Ein dänisches Ferienhaus ist ganz anders ausgestattet als eine deutsche Ferienwohnung. Ein Besuch bei Verwandten erfordert weniger Ausrüstung als ein Skiurlaub in der Jugendherberge. Allein mit drei kleinen Kindern im Zug muss man viel kompakter packen, als wenn man einfach alles in den Kofferraum werfen kann. Das sind also die Blaupausen unserer Ferienreisen, die ich mir sporadisch heraussuche und aktualisiere. Perfektionisten würden jetzt ein abstraktes System daraus machen und es in Projektmanagement-Tools digitalisieren. Und vermutlich gibt es auch eine App dafür. Aber das wäre ja nur der halbe Spaß!
Illustration Inhalt Kinderkoffer 2005 und 2016

Spaß macht vor allem zu sehen, was man nicht mehr braucht: Windeln, Strumpfhosen (für Jungs!), Schwimmflügel, Gummistiefel, Gummilaken, Affi, Elchi und den Schmusehasen. 2009 tauchte unser blauer Buggy zum letzten Mal auf einer Liste auf. Er blieb am Eingang zu einem Felsengarten in North Carolina stehen, was wir erst am Abend vor dem Rückflug bemerkten. Damit war das Thema Buggy in unserer Familie durch. Morgens um sieben am Frankfurter Flughafen wussten wir diesen Meilenstein allerdings nicht so recht zu würdigen.

Überhaupt Technik: Während meine Packlisten von Rechner zu Rechner migrierten, kam und ging in unserer Reisefamilie so manche Technologie. Zum Beispiel der DVD-Player. Oder das Bilderbuch. Surfstick, ipod (2005 – kein Touch, nur Hör), Nintendo DS (2007 – längst Antiquität!), mobiles Navi (2008 – funktioniert noch!), Smartphones, Tablets… Und eine Angelausrüstung, die für aufregende Ferienerlebnisse sorgt.

Was man nicht sehen kann auf den gespeicherten Listen sind Dinge, die ich handschriftlich ergänzt oder in letzter Minute doch noch gestrichen habe. Das wären die eigentlichen Quellen für Familienarchäologen. Hier zeigt sich das wahre Leben. Aber diese kostbaren Dokumente befreie ich jeweils kurz vor der Abreise, wenn die Reste aus dem Kühlschrank in der Kühltasche verstaut und die Kaffeetassen abgewaschen sind, nach einem letzten prüfenden Blick aus dem Klemmbrett und werfe sie erleichtert in den Müll. Auch das gehört zum Ritual. Gute Reise allerseits!

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